Junger Familienvater überlebt zwei Herzinfarkte

Peter Kornberger hielt einen Herzinfarkt für unmöglich. Nie krank, mit 44 Jahren zu jung dafür. Zweimal überlebte er knapp. Sein Erfahrungsbericht.

13.02.2017 Daniela Schori 4 Minuten

Peter Kornberger aus Balterswil TG geniesst heute mehr Zeit mit seiner Familie (hier am Bichelsee)

«Nie war ich ernsthaft krank. Bis zum 3. Dezember 2014. Seither bin ich lebenslang auf Medikamente angewiesen. Trotzdem war meine Lebensqualität nie besser. Ich überlebte zwei Herzinfarkte – und bin glücklicher als jemals zuvor. Quote du musst lebenDen ersten Infarkt ignorierte ich förmlich. Brustschmerzen, Schweissausbrüche – ist meine Rippe gequetscht oder eine Grippe unterwegs? Mein Arzt war beunruhigter als ich. Also setzte ich mich ins Auto. Unterwegs verschlimmerten sich die Schmerzen. Diese waren so heftig, ich wollte nur noch sterben. In Gedanken sah ich meine Kinder, meine Frau vor mir. Du musst leben! Du willst deine kleine Tochter einst als Braut erleben! Unter massiven Schmerzen zwang ich mich weiter, die Fenster offen, die Musik aufgedreht, ja nicht bewusstlos werden. Beim Arzt sackte ich zusammen. Reanimation, Ambulanz, Notoperation mit zwei Stents. Wenige Minuten später wäre ich tot gewesen.

Check-up zeigte keine Auffälligkeiten

Ich, einen Herzinfarkt? Obwohl ich kürzlich beim Check-up war? Ironischerweise machte ich diesen anlässlich des Herzinfarkts meiner Mitarbeiterin. Ihre Geschichte beschäftigte mich. Ich hörte sofort mit Rauchen auf. Vielleicht war das zu abrupt, nach zwanzig Jahren? Mein Übergewicht, nur Bildschirmsport, meine erbliche Vorbelastung – mein Vater starb an einem Herzinfarkt – und mein ungesundes Verhältnis von Arbeit und Erholung taten den Rest.

Wenige Tage nach der Notoperation folgte eine zweite Operation: Mit den Stents Nummer drei und vier in mir konnte ich eine Woche nach dem Infarkt nach Hause. In der ambulanten Reha lernte ich, gesünder zu leben – körperlich und psychisch. Ich verbesserte meine Kondition, nahm ab, priorisierte und strukturierte meinen Alltag neu. Ohne meine Familie hätte ich das nicht gepackt. Bereits einen Monat nach dem Herzinfarkt arbeitete ich wieder halbtags. Das gab mir Kraft. Mein Lebensstil ist komplett neu: zweimal wöchentlich Training am Ergometer, einmal Herzsportgruppe, Mittagsschlaf, gesund essen, bewusst geniessen. Der neue Peter gefällt auch meiner Familie. Denn trotz voller Agenda mit Job und Sport nehme ich mir mehr Zeit für sie.

Zweiter Herzinfarkt wegen Stentverschluss

Ein Jahr später folgte der zweite Herzinfarkt: Stentthrombose, ein Verschluss innerhalb des Stents. Ein Schock. Warum passiert mir das jetzt? Ich hatte gerade beim EKG-Belastungstest brilliert, 26 Kilogramm abgenommen und war topfit. Gemäss meinem Kardiologen ist ein solcher Fall so selten wie ein Lottosechser. Ich hatte einfach Pech. Doch dank meiner Fitness erlitt mein Herz keine weitere Schädigung. Auch mit Stent Nummer fünf geht es mir gut. Kürzlich hielt ich auf dem Weg zur Arbeit spontan an, um das herrliche Morgenrot zu bestaunen. Vor zwei Jahren wäre ich noch achtlos daran vorbeigefahren. Doch wissen Sie, was mich nach dem ersten Infarkt am meisten beschäftigte? Ich hatte mich an jenem Dezembermorgen nicht bewusst von meinen Kindern und meiner Frau verabschiedet. Was ich heute ebenfalls bereue: dass ich früher so unsportlich war. Meinen Wandel habe ich unter anderem auch der Psychologin zu verdanken, die mich damals auf der Intensivstation besuchte. ‹Sehen Sie den Herzinfarkt als etwas Positives›, sagte sie. Wie recht sie hatte.»

Wie Herz und Psyche zusammenhängen

Mary Princip, Fachpsychologin für Psychotherapie im Inselspital Bern, spricht über die psychische Folgen eines Herzinfarkts.

«Genauso wie Stress und psychische Probleme einen Herzinfarkt begünstigen, kann ein Herzinfarkt die Psyche belasten. Er erschüttert die Identität: Leistungsfähigkeit, Beruf, materielle Sicherheit, Freizeitgestaltung und Lebenspläne geraten ins Wanken. Die Patienten müssen das Erlebnis verarbeiten, sich neu orientieren und die Krankheit akzeptieren. Sie durchleben Phasen von Verdrängen, Schuldgefühlen, Wut, Traurigkeit, bis hin zu Dankbarkeit für ein zweites Leben oder für die Erklärung langjähriger Symptome. Wie ein Mensch mit dem Infarkt und seinen Folgen umgeht, hängt von mehreren Faktoren ab: den Umständen des Ereignisses, soziodemografischen Merkmalen, der Persönlichkeit, der sozialen Unterstützung, Vorgeschichte und Krankheitswahrnehmung.

Was der Person hilft, ist sehr individuell. Wo schöpft sie Kraft? Was gibt ihr Sicherheit? Natur, Gesellschaft, Bewegung? Nicht immer ist eine Verarbeitung ohne professionelle Hilfe möglich. 20 bis 30 Prozent der Herzinfarktpatienten leiden an einer Depression oder Ängsten. 10 bis 20 Prozent entwickeln eine posttraumatische Belastungsstörung, mit quälenden Gedanken ans Ereignis, Vermeidungsverhalten und gesteigerter Erregung. Das ist problematisch, denn die Psyche beeinflusst die Genesung sowie die Gesundheitsprognose insgesamt: Eine Depression verdoppelt das Risiko für einen weiteren Infarkt. Die Psyche ist deshalb wichtiger Bestandteil der Rehabilitation.»

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