Eine multimodale Schmerztherapie setzt dort an, wo bereits ausprobierte Methoden versagen. Wann verordnen Ärztinnen und Ärzte eine multimodale Schmerztherapie und in welchen Situationen kann sie sinnvoll sein? Eine Übersicht.
Wenn die Schmerzen nicht mehr auszuhalten sind, müssen neue Denkweisen her: Darauf basiert die sogenannte multimodale Schmerztherapie. Diese verfolgt mit einem ausgeklügelten Cocktail aus unterschiedlichen Behandlungsmethoden nur ein Ziel: die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Was passiert bei einer multimodalen Schmerztherapie? Und wie können chronische Schmerzen dank unterschiedlichen Methoden und Ansätzen gelindert werden?
Wenn sich der Alltag nur noch darum dreht, wo es weh tut: Schmerzen sind sehr belastend für Betroffene und ihr Umfeld. Mit einer multimodalen Schmerztherapie setzt sich ein ganzes Team von Expertinnen und Experten dafür ein, diese zu lindern, wenn bisherige Behandlungsmethoden nicht den gewünschten Erfolg bringen. Die multimodale Schmerztherapie kommt sowohl bei chronischen Schmerzen nach chirurgischen Eingriffen, bei diversen Erkrankungen, in der Onkologie und Palliativmedizin wie auch bei schwer diagnostizierbaren Schmerzen zum Einsatz.
Sowohl die Dauer einer multimodalen Schmerztherapie als auch die Auswahl unterschiedlicher Massnahmen und Therapien werden individuell und je nach zugrunde liegender Erkrankung festgelegt. Bei Bedarf werden sie im Laufe der Schmerztherapie angepasst.
Ärztinnen und Ärzte verschreiben in der Regel eine multimodale Schmerztherapie, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Die Basis einer multimodalen Schmerztherapie ist eine ausführliche Anamnese, also eine Erfragung und Aufzeichnung möglichst aller Beschwerden der betroffenen Patientinnen und Patienten. Ob eine ambulante Schmerztherapie oder eine stationäre Schmerztherapie zu empfehlen ist, entscheidet die von den Schmerzen betroffene Person gemeinsam mit einem Ärztinnen- und Therapeutenteam.
Dabei werden Vorbefunde aus unterschiedlichen Bereichen – und oft auch von unterschiedlichen medizinischen Fachpersonen – ausgewertet. Aus dieser Auswertung wird eine Schmerzdiagnose erstellt, die über den weiteren Verlauf der Schmerztherapie entscheidet. Ziel aller gewählten Massnahmen ist es, den Betroffenen ein Leben ohne Schmerzen zu ermöglichen, oder Wege zu lernen, mit den Schmerzen umzugehen, sodass die Lebensqualität verbessert wird.
Wie lange eine multimodale Schmerztherapie dauert, hängt sehr von der individuellen Situation des Patienten oder der Patientin ab. In der Regel dauert die Schmerztherapie mindestens sieben Tage, oft auch mehrere Monate oder Jahre. Akute Schmerzen lassen sich dabei oft schnell reduzieren. Bei chronischen Schmerzen kann es länger dauern, bis die richtige Kombination aus möglichen Therapiemethoden gefunden werden kann.
Eine multimodale Schmerztherapie bringt Expertinnen und Experten aus verschiedenen therapeutischen Bereichen zusammen – meist Ärzte, Physiotherapeutinnen und Psychologen, aber auch weitere Behandelnde. So werden alle Ebenen des Schmerzes berücksichtigt: die körperliche, die seelische und auch die soziale Ebene.
Die multimodale Schmerztherapie wird stationär, also im Spital, oder ambulant durchgeführt. Auch die palliative Schmerztherapie sowie die onkologische Schmerztherapie fokussiert auf multimodaler Ebene darauf, die Schmerzen und Beschwerden bei der Behandlung zu lindern.
Eine multimodale Schmerztherapie wird immer speziell zusammengesetzt und – je nach Verlauf und Erfolg – laufend angepasst. Hierfür können folgende Arten der Schmerztherapie zum Einsatz kommen:
Ärztinnen und Ärzte mit dem Fähigkeitsausweis «Interventionelle Schmerztherapie» stammen aus verschiedenen Disziplinen wie etwa Rheumatologie, Neurologie, Anästhesiologie, Chirurgie und physikalischer Medizin. Sie beschäftigen sich eingehend mit den Mechanismen der Schmerzentstehung.
Interventionelle Schmerztherapie ist eine «eingreifende» Schmerzbehandlung. Der Schwerpunkt liegt auf lokalen Injektionen von Anästhetika sowie minimal invasiven und mikrochirurgischen Behandlungstechniken. Bei einigen Interventionen wie Injektionen an Nervenwurzeln entlang der Wirbelsäule kann dank radiologischer Kontrolle eine gezielte Behandlung der Bereiche erfolgen, die die Schmerzen verursachen.
Die manuelle Schmerztherapie (auch MST genannt) zielt darauf ab, die Menschen in Bewegung zu bringen und mit gezielten manuellen Anwendungen Schmerzen rasch zu lindern.
Bei der nichtmedikamentösen Schmerztherapie kommen keine Arzneimittel zum Einsatz. Das Behandlungsspektrum umfasst viele verschiedene Methoden: Wärme und Kälte, Transkutane Elektrische Nervenstimulation (TENS), kinesiologisches Taping, Akupressur etc. Die nichtmedikamentöse Schmerztherapie bietet insbesondere Menschen mit chronischen Schmerzen wichtige Anreize, wie sie selbst einen wichtigen Beitrag zu ihrer Genesung leisten können.
Bei der psychosomatischen Schmerztherapie steht der Zusammenhang zwischen körperlichen, psychischen und auch sozialen Faktoren im Fokus.
Die multimodale Schmerztherapie beinhaltet oft folgende Hauptmethoden:
Bei einer Physiotherapie werden individuelle Bewegungen, Massagen oder andere physikalische Massnahmen wie die manuelle Lymphdrainage angeboten. Das Ziel: die Schmerzen zu lindern und die Beweglichkeit zu verbessern. Die Physiotherapie kann stationär (im Spital oder Reha-Zentrum) oder ambulant in einer Praxis für Physiotherapie durchgeführt werden.
Verschiedene Schmerzmittel (sogenannte Analgetika) können unter fachlicher Aufsicht eingesetzt werden, um akute wie auch chronische Schmerzen zu lindern. Sie wirken entweder zentral auf das Nervensystem im Gehirn und Rückenmark oder lokal am Ort des Schmerzes. Beispiele sind Schmerztabletten und -pflaster, Opioide und nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR).
In der Regel werden Schmerzmittel unmittelbar bei Krankheiten, nach Unfällen oder Operationen eingesetzt, um Betroffene möglichst schmerzfrei zu halten. Welche Medikamente am besten geeignet sind, hängt von der Art und Intensität der Schmerzen ab und muss immer ärztlich begleitet werden.
Die Psyche spielt in der Schmerztherapie eine sehr wichtige Rolle. Deshalb gehört auch die Psychotherapie in Kombination mit Physiotherapie und Schmerzmittel sehr oft zum Behandlungsplan. Der behandelnde Therapeut sollte speziell für die Behandlung von Schmerzpatientinnen geschult sein.
In Gesprächen oder mit gezielten Trainings werden alte Denkmuster durchbrochen. Bei Bedarf werden auch Antidepressiva eingesetzt, was die Erfolgschancen der Schmerztherapie deutlich erhöht. Auch bei Menschen, die keine Depression haben, können diese Medikamente bei der Schmerzbehandlung helfen.
Bei der Bewältigung von Schmerzbelastungen spielt Entspannung eine zentrale Rolle. Daher ist das Erlernen von wirksamen Methoden wie achtsamkeitsbasierte Stressreduktion ebenfalls Teil einer Schmerztherapie. Dies ermöglicht den Betroffenen noch mehr Selbstbestimmung.
Eine weitere Methode, die bei der Schmerztherapie eingesetzt werden kann, ist die Traditionelle Chinesische Medizin (Akupunktur, Akupressur).
Bei nicht-spezifischen Kreuzschmerzen kann eine Schmerztherapie für den Rücken zu einer Verbesserung führen. Medizinische Fachpersonen setzen heute bei Rückenschmerzen wenn möglich auf eine schnelle Mobilisierung. Das Ziel ist, dass Betroffene rasch ihre alltäglichen Aktivitäten wieder ausführen können.
Die Methoden der Schmerztherapie für den Rücken reichen von Physiotherapie, um Haltungsfehler zu beheben und die Beweglichkeit zurückzuerlangen über gezielte Massage, Akupunktur und kognitive Verhaltenstherapie bis hin zum richtigen Einsatz von Schmerzmedikamenten.
Bei spezifischen Rückenschmerzen können die interventionelle Schmerztherapie sowie die anästhesiologische Schmerztherapie erfolgsversprechend sein.
Die multimodale Schmerztherapie – sowohl die ambulante Schmerztherapie wie auch die stationäre Schmerztherapie – ist ein wichtiger Ansatz, um Schmerzen möglichst langfristig zu lindern. Dabei spielt die Auswahl geeigneter Therapiemethoden eine genau so wichtige Rolle wie die Bereitschaft der Patientinnen und Patienten, Neues auszuprobieren, um schmerzfrei leben zu können.
Der Experte stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite. Tim Reck (Facharzt für Anästhesiologie) ist seit über 15 Jahren als Schmerzmediziner tätig. Er ist Chefarzt des Zentrums für Schmerzmedizin des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil (LU). Das Zentrum für Schmerzmedizin behandelt alle Arten von Schmerzen in einem multimodalen Einsatz und deckt das gesamte Therapiespektrum ab.
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