Von chronischen Schmerzen spricht man, wenn akute Schmerzen nach spätestens drei bis sechs Monaten nicht abklingen. Ihre Ursachen können vielfältig sein und sie belasten auch psychisch stark. Hier erfahren Sie mehr über das chronische Schmerzsyndrom.
In der Schweiz leiden 1.5 Millionen Menschen an chronischen Schmerzen – die meisten davon täglich oder noch öfter. Weil das Schmerzempfinden individuell ist, ist es schwierig, ein einzelnes Symptom zu beurteilen oder gar zu vergleichen. Fakt ist jedoch, dass chronische Schmerzen die Lebensqualität massiv beeinträchtigen. Um chronische Schmerzen erfolgreich zu behandeln, muss man ihre Ursache kennen.
Akute Schmerzen nehmen wir alle rasch wahr: Sie treten unmittelbar nach Verletzungen und Krankheiten auf. Was, wenn diese aber nicht abklingen? Auf die Frage: «Ab wann sind Schmerzen chronisch?» lautet die Antwort: wenn sie drei bis sechs Monate oder länger andauern. Wenn die Schmerzen den Alltag beeinträchtigen, dann bezeichnet man sie auch als chronisches Schmerzsyndrom.
Chronische Schmerzen können sich etwa nach Gewebeschädigungen entwickeln, bei denen anhaltende Schmerzreize die Nervenzellen überstrapazieren. Dabei kann durch diese wiederholten Schmerzsignale eine Art «Schmerzgedächtnis» entstehen, bei dem Patientinnen und Patienten schon geringe Schmerzreize als Schmerzen wahrnehmen. Diese Schmerzmeldungen, die unsere Nerven ans Gehirn weiterleiten, sind seit Urzeiten überlebenswichtig, weil sie uns vor Gefahren warnen. Bei chronischen Schmerzen gerät dieses «Alarmsystem» des Körpers jedoch aus dem Lot.
Akute Schmerzen:
Chronische Schmerzen:
Chronische Schmerzen können sich auf unterschiedliche Art zeigen – und sind sehr individuell. Zu den wahrnehmbaren Zeichen von Schmerzbelastung gehören Schwitzen und Übelkeit, ein Zusammenkneifen der Augen und angespannte Stirnmuskeln. Auch Bluthochdruck kann eine Folge von Schmerzen sein.
Wenn Schmerzen über einen längeren Zeitraum bestehen, sind die entsprechenden Fachpersonen gefordert. Ärztinnen und Therapeuten müssen erst einmal den Schmerz orten und erkennen, was ihn auslöst. Dabei spielen sowohl die Krankengeschichte und die persönliche Beschreibung der Patientinnen und Patienten eine genauso wichtige Rolle wie die körperlichen Untersuchungen. Folgende Fragen helfen dabei, die Schmerzen zu definieren:
So lassen sich chronische Schmerzen nicht nur lokalisieren, sondern auch mögliche Ursachen dafür definieren.
Chronische Kopfschmerzen, die während drei Monaten in Folge an 15 Tagen oder mehr auftreten, können durch Fehlhaltung, nach einem Unfall oder als Ausdruck seelischer Belastung entstehen. Zu den Symptomen von chronischen Kopfschmerzen können auch Appetitlosigkeit, Übelkeit oder erhöhte Empfindlichkeit gegen Licht, Lärm oder bestimmten Gerüchen gehören.
Mehr als 90 Prozent der Rückenprobleme entstehen nicht etwa durch einen Bandscheibenvorfall sondern sind auf muskuläre Verspannungen, Fehlhaltungen oder zu wenig Bewegung im Alltag zurückführen.
Während akute Rückenschmerzen meist von kurzer Dauer sind, können unter gewissen Umständen chronische Rückenschmerzen daraus entstehen. Sind die Schmerzen sehr stark, können die Schmerzrezeptoren bei den Betroffenen diese Schmerzen «speichern» – und deshalb auch noch spüren, wenn deren Ursache bereits geheilt ist. Bewegungsmangel durch Schonhaltung sowie Krankheiten wie Rheuma oder Osteoporose können ebenfalls chronische Rückenschmerzen begünstigen.
Ein Ansatz bei chronischen Schmerzen, die sehr komplex und hartnäckig sind, ist die multimodale Schmerztherapie. Diese multidimensionale Behandlung fasst Therapien aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, von Medikamenten und Schmerzmitteln über Physiotherapie bis hin zu Methoden wie Akupunktur.
Die Schmerztherapie bei chronischen Schmerzen zeigt gute Erfolge bei Patientinnen und Patienten, die bereit sind, etwas zu verändern und offen sind für neue Behandlungsansätze. Können so Körper und Geist wieder in Einklang gebracht werden, stehen die Chancen gut, die chronischen Schmerzen zu heilen.
Manchmal haben chronische Schmerzen keine körperliche Ursache. Seelisches Leid kann aber genauso schmerzen. Unsere Psyche spielt eine grosse Rolle im Empfinden von Schmerz, aber auch im Prozess, chronische Schmerzen zu überwinden.
Zu den psychologischen Faktoren, die zu chronischen Schmerzen führen können, gehören:
Chronische Schmerzen mit ausschliesslich psychischer Ursache können in seltenen Fällen ebenfalls auftreten, können jedoch nur von einer Fachperson diagnostiziert werden.
Wenn der Körper es nicht schafft, diese emotionalen Anspannungen abzubauen, können daraus körperliche Beschwerden wie Kopfweh, Muskelverspannungen, Verdauungsprobleme und Erschöpfung entstehen. Werden diese Schmerzen chronisch, ist eine Psychotherapie sinnvoll, bei der mitunter auch die Resilienz – also die innere Stärke – gefördert wird.
Schmerzen, die länger als drei bis sechs Monate anhalten, gelten als chronisch. Es ist oft schwierig, diese chronisch starken Schmerzen einzuordnen, doch mithilfe von Expertinnen und Experten und einer gezielten Schmerztherapie kann man den Weg in ein unbeschwerteres Leben zurückfinden. Dass bei chronischen Schmerzen auch die Psyche eine grosse Rolle spielt, ist unumstritten. Wer in Bewegung bleibt, trotz Schmerzen, und lernt, seine persönlichen Ressourcen zu stärken, und sich über mögliche Therapieformen informiert, hat gute Chancen auf eine schmerzfreie Zukunft.
Der Experte stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite. Tim Reck (Facharzt für Anästhesiologie) ist seit über 15 Jahren als Schmerzmediziner tätig. Er ist Chefarzt des Zentrums für Schmerzmedizin des Schweizer Paraplegiker-Zentrums in Nottwil (LU). Das Zentrum für Schmerzmedizin behandelt alle Arten von Schmerzen in einem multimodalen Einsatz und deckt das gesamte Therapiespektrum ab.
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