Trennung, Todesfall oder eine schwerwiegende Krankheit: Wir trauern aus verschiedenen Gründen. Wichtig ist, sich mit dieser starken Emotion auseinanderzusetzen – ob als betroffene oder als unterstützende Person.
Auf einen schweren Verlust folgt meist Trauer – wir erleben ein Gefühl tiefer Traurigkeit, Verzweiflung und Hilflosigkeit.
Jeder Mensch geht unterschiedlich damit um. Und auch die Ursachen für Trauer sind sehr individuell: Der Tod eines geliebten Menschen, eine Trennung, ein Jobverlust oder ein anderes schweres Ereignis können uns aus der Bahn werfen. Was kann ich tun, um die Trauer zu überwinden? Und wie unterstütze ich eine trauernde Person in meinem Umfeld?
Unverarbeitete Trauer kann zu seelischen und körperlichen Beschwerden führen. Oft realisieren wir erst während einer Trauerphase, wie stark Körper und Geist zusammenhängen. Aus diesem Grund ist es wichtig, sich der Trauer zu stellen, sie als einen notwendigen Heilungsprozess für die Seele zu erkennen – und sich dafür genügend Zeit und Raum zu gestatten.
Trauernde verspüren unterschiedlichste Emotionen. Sie empfinden Traurigkeit, Verzweiflung, Sehnsucht, Niedergeschlagenheit, Schock, Wut, aber auch Erleichterung. Trauer kann in eine Depression münden. Körperlich kann sich Trauer mit Herzrasen, Kurzatmigkeit oder einem Leeregefühl im Magen äussern. Auch inständige Müdigkeit, Schlafstörungen oder Haarausfall können auftreten.
Lange Zeit wurde der Trauerprozess mit einem 5-Phasen-Modell definiert mit folgenden Abschnitten:
Mittlerweile gilt dieses Modell der Trauerphasen jedoch als wissenschaftlich überholt. Expertinnen und Experten raten eher davon ab, sich daran zu orientieren. Der bekannte Psychologe, Trauerforscher und Autor George Bonanno hat in verschiedenen Studien das traditionelle Phasenmodell widerlegt. Und anhand konkreter Beispiele gezeigt, dass Trauer nicht nur überwunden wird – sie kann auch einen positiven Wandel bei Betroffenen auslösen.
Fest gelegte Trauerphasen hegen die Gefahr, Trauernde und Angehörige in die Irre zu führen, weil der eigene Trauerprozess vielleicht ganz anders verläuft. Die internationale Trauerforschung hat in den letzten Jahren immer wieder betont, dass Trauer eine individuelle Erfahrung sei und äussere Einflüsse oder Erwartungen den natürlichen Verarbeitungsprozess stören können.
Nach Ansicht des Psychologen George Bonanno verläuft die Trauer in Wellen: Nach dem Tod eines geliebten Menschen etwa werden die Hinterbliebenen immer wieder von tiefer Trauer überwältigt. Dazwischen treten auch positive Gefühle auf, die ihnen helfen, den Verlust zu ertragen und die Trauer zu bewältigen. Die Intensität der Trauer nimmt im Lauf der Zeit ab, sodass die Trauerwellen erträglicher werden, bis die trauernde Person ihr Gleichgewicht wiederfindet und weiterleben kann. Das Wellenmodell liefert eine Erklärung dafür, warum Trauernde schon kurze Zeit nach der Bestattung erträgliche oder «normale» Momente erleben und sogar lachen können, um bald darauf wieder tief zu trauern.
Wie bei den meisten emotionalen Problemen gibt es auch bei der Trauer kein allgemein gültiges Rezept. Denn jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise. Während es einigen hilft, zu weinen, zeigen andere viel weniger Emotionen – was nicht bedeutet, dass diese Person weniger trauert. Andere wiederum stürzen sich in die Arbeit oder versuchen, sich mit anderen Mitteln abzulenken. Ob als trauernde oder als helfende Person: Es hilft, zu wissen, dass es beim Trauern kein «richtig» oder «falsch» gibt.
In einer Trauerphase ist es nicht für alle einfach, sich anderen mitzuteilen. Doch reden hilft, ganz im Sinne von «geteiltes Leid ist halbes Leid». Es ist ratsam, sich nicht abzukapseln, sondern sich mit Freundinnen und Freunden oder Familienangehörigen auszutauschen: Es hilft Trauernden, sich selbst besser zu verstehen. Emotionen dürfen gezeigt werden und man sollte sich nicht dafür schämen.
Schreiben kann eine effektive Form der Trauerbewältigung sein. Das Führen eines Tagebuchs kann helfen, die Gedanken zu ordnen und den Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Notieren Sie unbedingt auch die positiven Erlebnisse und halten Sie schöne Erinnerungen fest.
Trauer kann sehr widersprüchliches Verhalten oder unerwartete Gefühle auslösen: Nicht jeder trauert nach «Schema X».
Die Lebens- und Trauerbegleiterin Bettina Konetschnig hat durch den Tod ihres Lebenspartners selbst erlebt, wie facettenreich, intensiv und auch unerwartet sich Trauer manifestieren kann. Als «No-Gos» im Zusammenhang mit Trauer bezeichnet sie Floskeln wie: «Es ist alles nicht so schlimm, versuch nach vorn zu schauen», «Du wirst sicher wieder jemanden finden» oder «Die Zeit heilt alle Wunden».
Viel eher rät Konetschnig zu Ehrlichkeit: «Es ist völlig in Ordnung, einer trauernden Person zu sagen, dass man überfordert ist und nicht weiss, wie mit der Situation umzugehen.»
«Melde dich, wenn du mich brauchst», ist zwar nett gemeint, aber konkrete Vorschläge sind laut Konetschnig hilfreicher, da es Trauernde oftmals Überwindung kostet, um Hilfe zu bitten. (Mehr dazu im Videobeitrag.)
Deshalb:
Wenn jemand einen geliebten Menschen verliert, ist die Betroffenheit im Bekanntenkreis gross – gerade in der ersten Zeit bis zur Beerdigung. Hilfe wird aber vor allem danach, wenn Trauernde sich wieder im Alltag zurechtfinden müssen, benötigt. Die Trauer kennt keinen Zeitrahmen und lässt sich nicht auf eine konkrete Dauer reduzieren.
Zusammen zu weinen ist wichtig. Es darf aber auch gelacht werden. Beschenken Sie Trauernde mit schönen Erinnerungen oder Anekdoten an einen geliebten Menschen. Tauschen Sie sich aus. Auch während einer Trauerphase haben alle Gefühle ihre Berechtigung. Sie dürfen miteinander gelebt werden.
Die Partner von Bettina Konetschnig und Ewa Bolli sind beide an Krebs gestorben. Die Freundinnen waren in dieser schwierigen Zeit füreinander da und gaben einander Halt. Was ihnen beim Trauern half und worauf sie nicht verzichten möchten, erzählen sie im Videobeitrag.
Der Weg aus der Trauer kann sich als schwierig erweisen. Expertinnen und Experten raten Betroffenen, die nach sechs Monaten immer noch tief im Trauerprozess stecken, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hausärztinnen, Therapeuten, Selbsthilfegruppen oder andere spezialisierte Institutionen können weiterhelfen:
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Die Expertin stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite. Jessica Palladino (MSc Psychologie, Klinische Psychologie und Psychotherapie sowie Arbeits- und Organisationspsychologie) arbeitet als Teamleiterin in der Helsana-Gesundheitsberatung. Sie engagiert sich für die Kundinnen und Kunden in den Bereichen psychische Gesundheit, psychologische Beratung und Gesundheitsförderung.
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