Spannungen im Arbeitsumfeld, häufige Kritik oder missgünstige Kommentare: sind dies Anzeichen von Mobbing am Arbeitsplatz? Finden Sie in diesem Artikel wichtige Hinweise für eine erste Standortbestimmung – sowie Tipps für nächste Schritte.
Zwischen 4,4 und 7,6% der erwerbstätigen Menschen in der Schweiz sind oder waren schon von Mobbing am Arbeitsplatz betroffen. Das schrieb 2023 die «Schweizerische Ärztezeitung» mit Blick auf Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) sowie des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). Eine klare Unterscheidung zwischen «persönlichen Konflikten» und «Mobbing» als Verletzung der persönlichen Integrität ist dabei nicht immer einfach.
Von Mobbing spricht man, wenn wiederholt (etwa einmal pro Woche) und über mehr als sechs Monate die Würde eines Menschen verletzt wird. Eine international anerkannte Definition des Begriffs «Mobbing» gibt es zwar nicht. Jedoch sprechen Fachpersonen von Mobbing am Arbeitsplatz, wenn diese Merkmale auftreten:
Die genannten Punkte stammen aus der Broschüre «Mobbing und andere Belästigungen – Schutz der persönlichen Integrität am Arbeitsplatz» des SECO (2014/2016, S. 7). Auch das Bundesgericht stützt sich bei seinen Entscheiden auf diese «Mobbing am Arbeitsplatz»-Checkliste.
Nicht hinter jeder Auseinandersetzung oder Kritik verbirgt sich Mobbing. Auf der anderen Seite stellen einzelne Mobbing-Handlungen für sich betrachtet oft keine gravierenden Vergehen dar und lassen verschiedene Interpretationen zu. Eine gesamthafte Betrachtung der Situation ist unbedingt erforderlich, um Mobbing zu erkennen.
Neben psychischen Angriffen kann Mobbing sogar zu körperlichen Angriffen oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz führen: anstössige Witze, vermeintlich zufällige Berührungen bis hin zu aggressivem, zudringlichem Verhalten und Gewalt.
Mobbing am Arbeitsplatz zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Neben klassischen Schikanen zwischen Kolleginnen und Kollegen derselben Hierarchiestufe kann es auch zu Bossing (von oben nach unten) oder Staffing (von unten nach oben) kommen.
Bossing steht für Mobbing durch Vorgesetzte. Geht Mobbing am Arbeitsplatz vom Chef aus, zeigt sich dies zum Beispiel durch:
Staffing hingegen steht für Mobbing am Arbeitsplatz durch Kolleginnen und Kollegen. Ein beliebtes Ziel von Staffing sind junge, unerfahrene Führungspersonen, aber auch Teammitglieder. Manchmal werden die Rollen bei dieser Form von Mobbing am Arbeitsplatz vertauscht. Beispiele sind:
In Mobbing-Forschungen stösst man häufig auf folgende Hinweise für Bullying:
Ja, Mobbing am Arbeitsplatz hat Folgen: Fehlender Respekt, mangelnde Fairness und weitere Mobbing-Taktiken wirken sich negativ auf die körperliche und seelische
Gesundheit von Betroffenen aus. Hinzu kommt, dass Mobbing-Opfer eine belastende Situation oft zu lange aushalten. Sie suchen sich erst professionelle Hilfe
gegen Mobbing am Arbeitsplatz, wenn ernsthafte gesundheitliche Probleme auftreten.
Die Medizin fasst gesundheitliche Folgen von Mobbing unter dem «Mobbingsyndrom» zusammen:
Stadium 1: Akute Belastungsreaktionen
Die psychische oder körperliche Belastung zeigt sich in Form von unterschiedlichen Bewältigungsmechanismen. Hinweise und Signale sind Gereiztheit, ein Abwehr- oder Rückzugsverhalten, Motivationsverlust sowie Passivität.
Stadium 2: Kumulative traumatische Belastungsstörung
Anzeichen sind unter anderem allgemeines Unwohlsein, Kopf- oder Spannungsschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen mit Schweissausbrüchen, Gedächtnisstörungen. Zudem entwickeln Betroffene häufig eine Angstreaktion gegen Formen von Fremdbestimmung oder Feindseligkeit.
Stadium 3: Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
Symptome für PTBS infolge Mobbings sind zum Beispiel Flashbacks und das Wiedererleben traumatischer Ereignisse, Albträume, Teilnahmslosigkeit, sozialer Rückzug, Angst oder Depression.
Stadium 4: Andauernde Persönlichkeitsänderung
Durch extreme Belastungen kann sich eine ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung (PS), eine paranoide PS oder eine obsessive PS entwickeln.
Bei Menschen, die persönliche Ungerechtigkeit oder Stress zu lange aushalten, zeigen sich die Folgen von Mobbing am Arbeitsplatz (Stadium 2, siehe oben bei «Mobbingsyndrom») oft mental und physisch. Körperliche Folgen sind unter anderem Kopf-, Rücken oder Magenschmerzen. Psychische Folgen können sich in Form von Burn-out durch Mobbing oder einer Depression sowie einem verminderten Selbstwertgefühl zeigen.
Obwohl der Kopf nicht nachgeben will, zieht der Körper irgendwann die Notbremse. Krankschreibung wegen Mobbing auf der Arbeit ist aus ärztlicher Sicht ein zulässiges Mittel. Jedoch zeigt eine 2022 erschienene Studie von WorkMed, einem Kompetenzzentrum der Psychiatrie Baselland: Auch eine längere Behandlung und Arbeitsunfähigkeit bringt in den meisten Fällen keine Besserung der Konflikte am Arbeitsplatz.
Wie lange die Krankschreibung gilt, spielt oft keine Rolle. Auch wenn die Rückkehr erst nach 218 Tagen stattfindet – dies entspricht dem durchschnittlichen Krankheitsausfall von psychisch belasteten Menschen –, bleibt als letzter Ausweg aus der Krise oft nur die Kündigung.
Wie vorgehen bei Mobbing am Arbeitsplatz, fragen Sie sich?
Unser Tipp: Reagieren Sie frühzeitig.
Lösen gewisse Bemerkungen oder Handlungen aus Ihrem Arbeitsumfeld negative Gefühle in Ihnen aus? Nehmen Sie Ihre Wahrnehmung ernst und beginnen Sie, diese Momentaufnahmen zu notieren: Handlungen, Bemerkungen und was das in Ihnen auslöst. Tragen Sie Ihrer Gesundheit Sorge und nutzen Sie vermehrt Übungen zur Stressbewältigung.
Expertinnen und Experten empfehlen, die Konfliktpartei möglichst früh auf das Problem anzusprechen. Vielleicht handelt es sich um ein Missverständnis? Falls die Aussprache unter vier Augen nicht zur Verbesserung der Situation führt, gehen Sie einen Schritt weiter: Wenden Sie sich an Ihre Chefin oder Ihren Vorgesetzten. Fehlt dazu das Vertrauen oder der Mut, können Sie sich an das HR oder eine spezialisierte Beratungsstelle wenden.
Das Ziel bei einer spezialisierten Beratungsstelle ist, die Situation vertrauensvoll und diskret zu analysieren, Lösungsansätze zu finden und weitere Schritte zu planen. Dazu eignen sich vor allem das Case-Management, betriebliche Mentorinnen und Mentoren oder Coaches, Psychotherapeutinnen, Anwälte, das HR im eigenen Unternehmen oder das betriebliche Gesundheitsmanagement sowie spezifische externe Fachstellen für Mobbing. Auch die Unterstützung aus dem privaten Umfeld kann Positives bewirken.
Wenden Sie sich an eine Vertrauensperson und besprechen Sie die Situation. Melden Sie sich beim Vorgesetzten jener Person, von der Sie sich gemobbt fühlen. Leiten Sie rechtliche Schritte ein. Und als letzter Schritt: Prüfen Sie, ob eine Kündigung der letzte Ausweg ist.
Deutschschweiz:
Ganze Schweiz
Anlauf- und Beratungsstellen nach Kantonen: mobbing-zentrale.ch
Die Expertin stand dem Redaktionsteam bei diesem Artikel beratend zur Seite. Nadia Cifarelli (BSc Psychologie, dipl. holistische Gesundheitsberaterin) arbeitet in der Helsana-Gesundheitsberatung. Sie unterstützt Kundinnen und Kunden bei Fragen rund um Prävention, Ernährung und mentale Gesundheit.
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